Der österreichische Rechtsanwaltstarif weist gegenüber anderen Abrechnungssystemen einige Besonderheiten auf:

Der Anwalt hat Leistungen wie etwa Briefe, Rechtsgutachten, Schriftsätze, Klagen, Berufungen, Verträge und dergleichen mit einem festen Ansatz zu verrechnen, unabhängig davon, wie viel Zeit er tatsächlich für diese Leistungen benötigte. Der Gesetzgeber ging bei dieser Regelung davon aus, dass sich der Zeitaufwand einfacher Erledigungen statistisch betrachtet mit denen ausgleicht, die komplexer sind. Es ist Sache der persönlichen Arbeitsweise des Anwaltes, wie er dieses verrechnungsbedingte Spannungsverhältnis löst. Der mit der Sache vertraute Klient spürt rasch, ob diese seinen Vorstellungen entspricht.

Die weitere Besonderheit des Rechtsanwaltstarifes besteht darin, dass praktisch nur Leistungen veranschlagt werden, die der Rechtsanwalt selbst erbringt. Sämtliche Leistungen des Sekretariats, Vorbereitungsarbeiten, Gemeinkosten des Kanzleibetriebes und dergleichen sind betriebwirtschaftlich in diesem Ansatz inkludiert. Sie werden nicht gesondert verrechnet! Es ist daher beim jeweils ausgewiesenen Tarifansatz immer zu berücksichtigen, dass dieser anteilig den Zeitaufwand der restlichen Kanzlei mit beinhaltet. Letztlich weist der Rechtsanwaltstarif noch die Besonderheit auf, dass die Tarifansätze streitwertabhängig sind.
Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber so festgelegt.

Der Grund dafür mag durchaus darin gelegen sein, Rechtsbeistand zu – im Verhältnis zur Streitsache – sozial verträglichen Kosten zu ermöglichen. Das bedeutet, dass der Anwalt in Causen mit niedrigem Streitwert unter dem eigenen Deckungsbeitrag arbeiten muss und dieses Missverhältnis nur durch Causen mit hohem Streitwert ausgleichen kann.

Die österreichische Rechtssprechung ist geprägt von dem Grundsatz, dass der unterliegende Streitteil dem obsiegenden anteilig die Kosten ersetzen muss. Um den Unterliegenden vor sittenwidrigen Honorarsummen zu schützen, wurden vom Gesetzgeber die im Zusammenhang mit Schriftsätzen und Streitverhandlungen zu erbringenden Nebenleistungen standardisiert und mit dem so genannten Einheitssatz pauschaliert. Unabhängig davon, dass im gerichtlichen Verfahren dem Gegner immer nur diese pauschalen Ansätze zum Ersatz auferlegt werden können, hat aber jeder Klient, dem in seiner Sache dieser standardisierte Aufwand nicht reicht, die Möglichkeit Beratungsleistungen seines Anwaltes nach seinen Bedürfnissen und seiner Einschätzung in Anspruch zu nehmen. Auf Wunsch oder nach Absprache kann der Anwalt dem eigenen Mandanten gegenüber diese Einzelleistungen nach den zuvor dargestellten Grundsätzen im internen Verhältnis direkt abrechnen. Der Rechtsanwaltstarif ist somit auf den ersten Blick betrachtet ungewohnt. Bei näherer Betrachtung und Erklärung erweist sich jedoch, dass dieses System für alle Beteiligten eine effiziente und faire Abrechnungsart darstellt.